Arbeitsrecht

Welcome to the Jungle!

Im Dschungel des Arbeitslebens hat man oft mit den unterschiedlichsten Spezies zu tun. Da sind auf der einen Seite die einsamen Löwen und auf der anderen die, die sich mit viel Teampower im Rudel engagieren. Wir sprachen mit Rechtsanwälting Katja Wucherpfennig über eine weitere, ganz spezielle Art von Kollegen – die sogenannten „Low Performer“.

Was genau sind eigentlich „Low Performer“?

Als „Low Performer“ bezeichnet man Mitarbeiter, die die Erwartungen des Arbeitgebers an ihre Arbeitsleistung im Hinblick auf die zu erledigende Menge an Aufgaben oder die Qualität der Ergebnisse nicht oder nicht mehr erfüllen.

„Low Performer“ sind also die Faulpelze im Team.

Das kann man so nicht sagen. Viele haben bei einem „Low Performer“ sicherlich das klassische Bild eines Mitarbeiters vor Augen, der das Verhältnis zwischen Arbeitsleistung, Arbeitszeit und Entgelt optimiert, indem er sich Auszeiten durch Krankheit nimmt, sich Mehrarbeit entzieht, versucht, eigene Aufgaben an andere Mitarbeiter zu delegieren und dabei möglichst vermeidet, Verantwortung in jeglicher Hinsicht zu übernehmen. Es gibt aber auch Mitarbeiter, die vom Grundsatz her nicht immer „Low Performer“ waren, sondern erst durch äußere Umstände geworden sind. Zum Beispiel durch eine Krankheit oder durch Veränderungen des Arbeitsumfeldes. Etwa, wenn sie mit der Digitalisierung ihrer Aufgaben nur schlecht zurechtkommen, weil ihnen Quali­fikationen fehlen. Manchmal werden Mitarbeiter auch zu „Low Performern“, weil sie mit neuen Vorgesetzen oder neuen Kollegen nicht zurechtkommen. Hier stellt sich bisweilen die Frage, ob tatsächlich die Leistung des Mitarbeiters abgefallen ist, oder ob möglicherweise schlicht die „Chemie“ mit dem Team oder dem Chef nicht mehr stimmt.

Was kann ich als Unternehmer tun, um aus „Low Performern“ doch noch Durchschnitts-Performer oder sogar High-Performer zu machen?

Das hängt entscheidend davon ab, welche Ursache die schlechte Performance des Mitarbeiters hat. Bei den letzten beiden Konstellationen gibt es sicherlich Möglichkeiten, den Mitarbeiter aus dem „Leistungstief“ wieder herauszuholen. In Frage kommen hier Gespräche über die Ursache des Leistungsabfalls, technische Hilfsmittel am Arbeitsplatz, Fortbildung, Schulung oder Unterstützung durch Kollegen, Umsetzung oder Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz. Bei älteren Mitarbeitern ist auch der gleitende Übergang in den Rentenbezug durch ein Altersteilzeitverhältnis eine Option. Schwierig wird es bei Mitarbeitern, die sich in ihrer Komfortzone eingerichtet haben, ihre Rechte genauestens kennen und immer hart am Rande des gerade arbeitsrechtlich noch nicht sanktionierbaren Verhaltens segeln. Diese Mitarbeiter wird man mit Gesprächen, Schulungen oder Versetzungen nicht erreichen. Häufig auch deshalb nicht, weil sie sich selbst als „High-Performer“ einstufen und meinen, dass sie ohnehin mehr tun als sie müssten. Eigen- und Fremd­einschätzung fallen hier oft deutlich auseinander.

Welche arbeitsrechtlichen Mittel stehen mir dann zur Verfügung?

Ermahnung, Abmahnung, Kündigung – das arbeitsrechtliche Instrumentarium ist da begrenzt und unterscheidet sich nicht von anderen Fällen. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass man konsequent vorgeht und am Ball bleibt. Hat man einen „Low Performer“ im Betrieb identifiziert und sieht, dass Maßnahmen wie Gespräche, Schulungen oder Versetzungen nichts nutzen, muss der Mitarbeiter von der Führungskraft eng geführt und etwaiges Fehlverhalten arbeitsrechtlich, zum Beispiel durch Abmahnungen, sanktioniert werden, um den Weg für das letztmögliche Mittel – die Kündigung – vorzubereiten. Hieran fehlt es jedoch häufig, da dies eine zeitraubende, arbeitsintensive und konfliktträchtige Vorgehensweise ist, die von Führungskräften nach Möglichkeit gemieden wird. Stattdessen werden die betroffenen Mitarbeiter in eine andere Abteilung oder auf einen anderen Arbeitsplatz „weggelobt“. Hier wird sich dann zu Nutze gemacht, dass noch nicht alle im Unternehmen wissen, dass der Mitarbeiter in Arbeitsweise und Umgang schwierig ist. Dieses Vorgehen löst zwar kurzfristig das Problem der aktuellen Führungskraft, ändert aber nichts daran, dass der Mitarbeiter Verhaltens- und Leistungsmängel aufweist, die auch auf der neuen Stelle nicht verschwinden. Das Problem ist damit nur verschoben, aber nicht gelöst.

Ab wann kann ich eine Kündigung in Betracht ziehen?

Der Ausspruch der Kündigung ist rechtlich immer Ultima Ratio. Der Arbeitgeber muss vorab alle möglichen, ihm zur Verfügung stehenden milderen Mittel in Betracht ziehen und durchgeführt haben, um die Kündigung zu vermeiden. Nur wenn all dies nichts genutzt hat, kann in letzter Konsequenz die Kündigung ausgesprochen werden. Für eine verhaltensbedingte Kündigung ist zu beachten, dass der Mitarbeiter zwingend vor Ausspruch der Kündigung abgemahnt worden sein muss.

Viele „Low Performer“ halten sich selbst für „High Performer“. Eigen- und Fremdeinschätzung fallen hier oft deutlich auseinander.

Katja Wucherpfennig, Rechtsanwältin in der Rechtsberatung des ADK und Referentin von X4B-Seminaren zum Arbeitsrecht

Was muss ich dabei beachten?

Wichtig ist, dass alle Versuche, Angebote, Hilfestellungen und Abmahnungen, die vor Ausspruch der Kündigung durchgeführt oder erteilt wurden, in der Personalakte schriftlich dokumentiert sind. Bei Maßnahmen und Angeboten am besten mit Ort, Datum, Teilnehmern, Fragestellungen, Maßnahmen und Ergebnis. Hieran fehlt es in der Praxis fast immer. Häufig sind die Personalakten von „Low Performern“ dünn und blütenweiß. Dies nicht, weil im Arbeitsverhältnis nichts vorgefallen ist, sondern schlicht, weil es nicht dokumentiert ist. Prüft man die Kündigungsmöglichkeit bei einem solchen Mitarbeiter, hört man oft von Kollegen und Vorgesetzten, Äußerungen wie: „Das Herr X trinkt, ist doch schon seit Jahren allen bekannt. Der hat doch noch nie einen Auftrag fehlerfrei herausbekommen, wir mussten immer nacharbeiten“. Das mag dann zwar alles zutreffen, hilft aber in der aktuellen Situation auch nicht mehr. Die Information hätte man viel mehr zeitnah benötigt, als das Fehlverhalten aufgetreten ist, um dieses dann auch zu sanktionieren, beziehungsweise Maßnahmen dagegen zu ergreifen. An dieser Stelle fehlt aber meist die Kommunikation zwischen Vorgesetzten und Personalabteilung. Auch hier gebe ich den Rat, sich frühzeitig mit aktuellen Vorfällen an die Personalabteilung zu wenden und nicht erst Jahre später, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist.

Was kann ich tun, wenn ein solcher Extremfall bereits eingetreten ist?

Der „Klassiker“ für einen „Low Performer“ sieht ungefähr wie folgt aus: Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen zwischen Mitte 40 und Mitte 50, verhältnismäßig lange Betriebszugehörigkeit, nicht selten in relativ hoher Position, hat schon viele oder sogar alle Bereiche des Unternehmens durchlaufen, weil oft weiter- und hochgelobt. Oft besteht auch besonderer Kündigungsschutz aufgrund von Tarifvertrag, Schwerbehinderung oder gar Mitgliedschaft im Betriebsrat. Alle Kollegen und Vorgesetzten wissen schon seit Jahren, dass der Mitarbeiter keine Leistung bringt und immer nur weitergelobt wird. Diese Einschätzung ist in der Vergangenheit aber weder dem Mitarbeiter gespiegelt noch dem Arbeitgeber beziehungsweise der Personalabteilung in dieser Konsequenz mitgeteilt worden. Natürlich ist etwaiges Fehlverhalten auch nicht arbeitsrechtlich sanktioniert oder dokumentiert worden. Jetzt ist aber der Zeitpunkt gekommen, vielleicht weil es keinen anderen Arbeitsplatz mehr gibt, auf den der Mitarbeiter noch weggelobt werden könnte oder weil ein neuer Vorgesetzter gekommen ist, dass der Mitarbeiter kurzfristig gekündigt werden soll. Das funktioniert in der Regel nicht, da die Versäumnisse der letzten zehn, 15, 20 Jahre nicht in kurzer Zeit nachgeholt werden können. Hier braucht es dann Konsequenz, Zeit, einen langen Atem und häufig auch einen nicht unerheblichen finanziellen Anreiz, um den Mitarbeiter zu der Einsicht zu bewegen, dass es für alle Parteien besser ist, das Arbeitsverhältnis zu beenden.

Wie kann man sich das ersparen?

Mein Rat an dieser Stelle: Man sollte Mitarbeiter nicht erst zu klassischen „Low Performern“ werden lassen. Stellt sich in der Probezeit oder während einer Befristung heraus, dass der Mitarbeiter den Anforderungen an den Arbeitsplatz nicht gerecht wird, sollte das Arbeitsverhältnis beendet werden. Erfahrungsgemäß wird die Leistung nach Ende der Probezeit oder Auslaufen der Befristung nicht besser – nur der Preis, sich zu trennen, wird höher. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und eines dringenden Bedarfs mag dies im Einzelfall schwierig sein. Das Problem löst man allerdings auch nicht mit der Beschäftigung eines unzuverlässigen, häufig fehlenden und schlecht arbeitenden Mitarbeiters.

Und wenn die Probezeit schon vorbei ist?

Den Mitarbeitern sollte eine realistische Rückmeldung ihres Leistungsstands, wie ihn Kollegen und Vorgesetzte wahrnehmen, gegeben werden. Wie schon beschrieben, scheuen viele Chefs den Konflikt mit den Mitarbeitern und „loben“ diese einfach auf einen anderen Arbeitsplatz weg. Bei vielen „Low Performern“ findet man in der Personalakte nur gute Zwischenzeugnisse oder Leistungsbeurteilungen. Die Mitarbeiter haben dann häufig auch gar kein Problembewusstsein, da ihnen von ihrer Umwelt ständig gespiegelt wurde, dass sie gute Mitarbeiter sind, obwohl Kollegen und Vorgesetzte das in Wirklichkeit ganz anders sehen.


[INTERVIEW: ISABEL CHRISTIAN]

X4B-Seminar

Mehr zum Thema „Low Performer“ erfahren Sie von Katja Wucherpfennig in einem X4B-Seminar am 9. Juni 2022:

x4b.de/event/low-performer

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