Generation Z: Zocken oder Zukunft?
„Die Jugend von heute ...“ taugte zu allen Zeiten nicht viel – so ein uraltes Vorurteil. Würde es stimmen, wäre die Menschheit vermutlich längst ausgestorben. Doch wie steht es mit der aktuell auf den Arbeitsmarkt drängenden „Generation Z“ – den sogenannten „Postmillenials“ der Jahrgänge 2005 bis 2010? Die aktuelle Studie zur jährlich erhobenen Umfrage „Azubi-Recruiting-Trends“ geht der Sache auf den Grund. Wir trafen Studienherausgeberin und Azubi-Recruiting-Expertin Felicia Ullrich zum Interview.
Frau Ullrich, Sie nennen die jetzige Generation der 14 bis 19-Jährigen die „Generation Zocker“. Woher kommt diese Interpretation?
Eine aktuelle Studie hat gezeigt, dass 74 Prozent der Jugendlichen regelmäßig Computerspiele spielen, also zocken. Sie spielen sich von Level zu Level, bekommen unmittelbar Feedback und sammeln Belohnungen ein. Ich bin überzeugt, dass diese Gewohnheit auch Einfluss auf das Denken und Handeln der Jugendlichen hat, es ist keine reine Freizeitbeschäftigung. Sie sind daran gewöhnt, permanent auf die Schulter geklopft zu bekommen, digital und zu Hause von den Eltern.
Was hat das Elternhaus damit zu tun?
Nicht wenige Jugendliche werden von ihren Eltern helikoptert. Wenn ich früher mit einer schlechten Note nach Hause gekommen bin, sagte meine Mutter: „Da hättest du wohl etwas mehr lernen müssen“. Heute hören viele Jugendliche, dass ja der Lehrer schuld oder die Arbeit viel zu schwer gewesen sei. Am Kind lag es jedenfalls nicht. Dazu kommt, dass Mama und Papa den Jugendlichen ganz viele unangenehme Dinge abnehmen. Telefonieren ist den ans Chatten gewohnten Jugendlichen zum Beispiel ein echter Graus. Jemand Fremden am Telefon persönlich etwas zu fragen, das finden die ganz doof. Wir kriegen etwa des Öfteren Anrufe von Müttern, die fragen, ob wir Praktikumsplätze anbieten. Ich sage dann immer: Ja, ist der Platz für Sie? Falls nicht, soll bitte derjenige anrufen, der sich bewerben möchte.
Das klingt ganz danach, als wachse da eine Generation von Prinzessinnen und Prinzen heraN …
Die Jugendlichen haben auf jeden Fall vordergründig ein höheres Selbstbewusstsein als frühere Generationen. Sie wissen, dass es von ihnen zu wenige gibt und sie deshalb heiß begehrt sind. Das hat Auswirkungen auf ihre Selbstwahrnehmung. So hat eine Befragung für die Azubi-Recruiting Trends 2020 ergeben, dass 76 Prozent der befragten Jugendlichen sich selbst ein gutes Benehmen attestieren. Diese Meinung teilten nur 17 Prozent der Ausbilder. Ich glaube aber, dass dieses Selbstbewusstsein vor allem Schein ist. Um echtes Selbstbewusstsein zu entwickeln, muss man Erfahrungen machen, man muss scheitern und danach wieder aufstehen. Diese Erfahrungen machen viele Jugendliche aber nicht, weil die Eltern sie von allem fernzuhalten versuchen, was irgendwie gefährlich sein kann.
Stimmt dann also die These, dass die Jugend von heute dümmer ist als frühere Generationen?
Nein, die sind weder dümmer noch schlauer, die sind einfach anders. Das bei uns noch sehr geschätzte, breite Allgemeinwissen fehlt bei vielen, denn sie wissen ja, wo man nachgucken kann, wenn man mal eine Frage hat. Sie haben dafür andere Kernkompetenzen, vor allem im digitalen Bereich.
Dennoch beklagen Universitäten und Arbeitgeber oft, dass nach wie vor wichtige Kompetenzen zum Beispiel im Rechnen oder Lesen fehlen.
Diese Fähigkeiten sind leider in der Tat rückläufig, doch das liegt auch an uns Erwachsenen. Früher haben Eltern ihren Kindern viel mehr vorgelesen und die Kinder lasen selbst. Heute bekommen schon Anderthalbjährige ein iPad vor die Nase gestellt, damit sie bloß ruhig sind.
Was bedeutet diese Entwicklung für die Ausbilder in den Betrieben?
Sie müssen ihre Azubis definitiv ein bisschen nacherziehen. Zum Beispiel darin, Geduld zu haben und eine Toleranz für eigene Fehler zu entwickeln. Sie müssen lernen, dass es nicht immer an den äußeren Umständen liegt, wenn mal was daneben geht. Auch werden die Betriebe zu mehr Microlearning übergehen müssen, also zu kurzen, kompakten Einheiten der Wissensvermittlung. Andernfalls bleiben die leicht ablenkbaren Azubis nicht bei der Stange. Darüber hinaus werden Ausbilder viel stärker den Sinn dessen erklären müssen, was die Azubis tun sollen. Diese Generation arbeitet nicht in erster Linie des Geldes wegen, sondern weil sie etwas Sinnvolles machen will.
Telefonieren ist den ans Chatten gewohnten Jugendlichen ein echter Graus.
Gehen wir noch einen Schritt zurück und fangen beim Recruiting an – wie bekomme ich die Jugendlichen überhaupt in meinen Betrieb?
Was die Prozesse angeht, so sind die Jugendlichen sehr digital. Sie wollen eine gut gemachte, digitale Ansprache, zum Beispiel über die Webseite. Auch eine Chatfunktion, bei der man Fragen stellen kann, kommt in der Regel gut an. Bloß niemanden anrufen müssen, Sie erinnern sich. Wichtig ist es dabei aber, dass schnell eine Reaktion vom Unternehmen kommt. Die Generation WhatsApp ist es nicht gewohnt, tagelang auf Antworten zu warten. Wenn es aber ans Eingemachte geht, etwa das Bewerbungsgespräch, dann bevorzugen die Jugendlichen doch den persönlichen Kontakt. Sie wollen sehen, wie der Betrieb aussieht, mit wem sie es dort zu tun bekommen und ob sie dabei ein gutes Gefühl haben. Da sind sie doch sehr menschenbezogen.
Aber welche Möglichkeiten habe ich außer meiner Webseite, die „Generation Z“ digital auf mich aufmerksam zu machen?
Da gibt es nicht den einen richtigen Weg. Wichtig ist es in jedem Fall, bei Google sichtbar zu sein. In der Umfrage zu den Azubi Recruiting Trends 2019 gaben 84 Prozent an, dass sie in erster Linie nach einem Ausbildungsplatz googeln. Ist nachvollziehbar, schließlich nutzen auch wir Google und Co., wenn wir im Netz etwas suchen. Auf dem zweiten Platz folgt die Jobbörse der Arbeitsagentur, denn hier erfahren die Jugendlichen am schnellsten, wer ihren Traumjob in ihrer Umgebung anbietet. Aber bitte dort keine lieblose Anzeige aufgeben, gestalten Sie sie nett, Sie wollen ja die Jugendlichen gewinnen und nicht abschrecken.
Social Media dagegen spielt als Info-Kanal für Jobs nur für fünf Prozent der befragten Jugendlichen eine Rolle.
Social Media wird in dieser Funktion in der Tat deutlich überbewertet. Unter anderem deshalb, weil man nicht nach Jobs suchen kann. Social Media ist deshalb aus meiner Sicht kein Recruiting-Kanal, sondern sollte von Unternehmen als Möglichkeit der Selbstpräsentation genutzt werden. Deshalb würde ich Videos, die ich im Unternehmen erstellt habe, immer auch bei Youtube hochladen. Auf der Plattform sind immer noch über 90 Prozent der Jugendlichen aktiv. Davon ab sollten wir aber auch akzeptieren, dass Social Media für die Jugendlichen vor allem Privatleben bedeutet. Wenn mir früher in der Disco, wo ich mich mit Freunden treffe und abschalten will, jemand einen Flyer mit Ausbildungsangeboten in die Hand gedrückt hätte, hätte ich das auch doof gefunden. Und so ähnlich ergeht es den Jugendlichen, wenn sie auf „ihren“ Plattformen ständig mit Jobangeboten konfrontiert werden.
[INTERVIEW: ISABEL CHRISTIAN]