Die Lage der Industrie

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Trotz voller Auftragsbücher: KautschukIndustrie in schwierigem Fahrwasser

Erst Corona, dann Lieferengpässe und nun der Ukraine-Krieg: Nach einem für die Kautschuk- und Kunststoffbranche belastenden Jahr folgt ein weiteres Jahr mit düsteren Aussichten. Und auch die längerfristige Zukunft ist bedroht.

Die Preisrallye für Rohstoffe scheint kein Ende zu finden. Schon im Frühjahr 2021 ächzte die Kautschuk- und Kunststoffindustrie unter extrem gestiegenen Preisen für Vormaterialien. Vor allem Kautschuk war durch die Folgen der Coronakrise, ausgefallene Ernten und die Regenzeit zum knappen und damit teuren Gut geworden. Damals hielt man eine Entspannung der Lage ab dem dritten Quartal für möglich. Doch ein Jahr später blickt die Branche auf ein Jahr voller negativer Einflüsse ohne jegliche Entspannungsphase zurück – und steht vor einem Jahr, das kaum besser werden dürfte.

„2021 war ein Jahr voller Schocks, die es so gehäuft bisher noch nicht gegeben hat“, sagt Christoph Sokolowski vom Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie. Neben häufigen Staus in der Logistik, unter anderem durch die Havarie des Container-Frachtschiffs „Ever Given“ im Suez-Kanal, machten der Branche auch mehrere Naturkatastrophen wie die Flut im Ahrtal oder der Hurrikan „Ida“ in den USA zu schaffen. „Dazu kamen mehrere Betriebs­unfälle und Anlagenschäden, die zeitweise zum Stillstand der gesamten Produktion geführt haben“, sagt Sokolowski. Die Explosion im Chemiepark Leverkusen sei etwa so ein Ereignis gewesen. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie hätten sich in 2021 zwar abgeschwächt, dennoch sorge die „No-Covid“-­Strategie Chinas für weitere Probleme. „Die deutsche Kautschukindustrie bezieht einen großen Anteil ihrer Rohstoffe aus China. Die immer wieder auftretende Stilllegung von Städten, Häfen wie Shanghai und mitunter ganzer Regionen hat daher die Branche kräftig ausgebremst.“

Doch auch das Jahr 2022 bietet keine besseren Aussichten. Vor allem der Krieg in der Ukraine führt zu großer Verunsicherung – auch an den Märkten. „Die Volatilität der Rohstoff-Märkte ist extrem hoch und eine Prognose zu einer Entspannung derzeit nicht möglich“, sagt Sokolowski. Durch den Krieg stiegen die preislichen Risikoaufschläge für Rohstoffe und Energie explosionsartig. „Die Energiepreisentwicklung entzieht sich aktuell rationaler wirtschaftlicher Grundlagen und ist ausschließlich politisch bestimmt. Die Preise dürften absehbar auf hohem Niveau verharren, auch wenn die Volatilität abnehmen sollte.“ Besonders betroffen davon sind Rohstoffe, bei denen eine hohe Abhängigkeit von Russland besteht. Wie etwa Ruß oder einige Sorten Synthese-Kautschuk. „Diese werden sicher noch einige Zeit unter massivem Preisdruck stehen“, prognostiziert Sokolowski.

Auf die bereits stark belasteten Kautschuk-Firmen wirken die neuen Entwicklungen wie ein Brandbeschleuniger, vielen Firmen droht bereits jetzt die Insolvenz. „Besonders heikel ist die Situation der Automobilzulieferer, weil hier auch die Nachfrage von Seiten der OEMs durch die reduzierte Produktion aufgrund des Halbleiter-Mangels und des Ukraine-Kriegs erheblich stockt“, sagt Sokolowski. Dazu käme, dass Kostensteigerungen kaum oder gar nicht an die Kunden weitergegeben werden könnten.

Viele Firmen stünden schon jetzt vor der Situation, dass ein Weiterbetrieb ihrer Produktion auf Normalniveau unwirtschaftlich ist – mit der Folge, dass sie die Produktion herunterführen oder komplett einstellten. Personalabbau aber helfe aus dieser Krise nicht, da die Auftragslage sehr gut sei. Vielmehr müsse der Staat mit Subventionen – etwa bei Energie – unterstützen. „Die Firmen fahren trotz voller Auftragsbücher negative Erträge ein. Das hat schwerwiegende Folgen für die Zukunft“, sagt Sokolowski. So büßten die Unternehmen kurz- und mittelfristig an Investitions- und Innovationsfähigkeit ein und langfristig bräche die Wettbewerbsfähigkeit weg. „Ohne Einnahmen können die Unternehmen nicht in die notwendige Transformation investieren – mit der Folge, dass sich der Abstand auf dem Weltmarkt immer weiter vergrößert.“

[ISABEL CHRISTIAN]

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