Liebe Leserinnen und Leser,
der Angriff Russlands auf die Ukraine hat alle Hoffnungen auf eine schnelle Erholung der Konjunktur zunichte gemacht. Seit mehr als einem halben Jahr kämpfen unsere Unternehmen mit wachsender Materialknappheit und spürbaren Lieferengpässen. Jetzt kommen exorbitant steigende Energiekosten hinzu. Nicht wenige Betriebe, die die Corona-Krise stark angeschlagen überstanden haben, stehen jetzt endgültig mit dem Rücken zur Wand. Dies gilt vorzugsweise für die Betriebe der Autozulieferindustrie, für Gießereien und auch wichtige Branchen des Maschinenbaus. In unseren jüngsten Konjunkturumfragen registrieren wir eine nie da gewesene Verunsicherung in großen Teilen unserer Industrie. Daraus leitet sich ab, was auf der politischen Agenda zuvorderst stehen sollte: Kein simples ideologiebetriebenes „Weiter so“ im faktenfreien Wolkenkuckucksheim fernab der betrieblichen Realitäten, sondern schlicht Sicherheit: Sicherheit in der Energieversorgung, Planungssicherheit, Beschäftigungssicherung und – Liquiditätssicherung! Cash ist King. Denn Liquiditätsmanagement ist derzeit die Königsdisziplin.
Aber ist der Ernst der wirtschaftlichen Lage unseres Landes zwischenzeitlich politisches Allgemeingut? Allenfalls eingeschränkt, könnte man sagen. Dass sich die Politik dem allzu populären Wunsch nach einem sofortigen Embargo von russischem Gas bisher erfolgreich widersetzt, ist uneingeschränkt zu begrüßen. Der vielzitierte „Notfallplan Gas“, der bei Engpässen in der Gasversorgung in der letzten Stufe, der sogenannten Notfallstufe, greifen würde, sieht dann als Erstes Zwangsabschaltungen in den wertschöpfenden Bereichen der Volkswirtschaft, schwerpunktmäßig in der Industrie vor. Aber wäre es nicht sinnvoll, eine Lösung anzustreben, die einen eventuellen Mangel an Gas nach Tageszeiten, nach Wochentagen oder nach Mengen klug unter den Privathaushalten verteilt? Die Industrie benötigt verlässliche Bezugszeiten und Mengen, währenddem die meisten Privathaushalte doch viel eher in der Lage sein dürften, mit beschränkten Warmzeiten zurecht zu kommen. Eine Lösung, die da lautet „Hauptsache zuhause warm und gemütlich“, während große Teile der Industrie irreparabel vor die Hunde gehen und deren Arbeitsplätze gleich mit, erscheint nicht nur leichtfertig, sie ist schlicht nicht zu Ende gedacht. Deswegen ist die deutsche und die europäische Politik gut beraten, für diesen Fall der Fälle andere intelligente Prioritäten zu setzen.
Aber der „Notfallplan Gas“ markiert in der vorliegenden Fassung ein sehr grundsätzliches Problem der aktuellen Politik. Immer öfter beobachten wir bei politischen Entscheidungen eine Bruchstelle zwischen der Entscheidungs- und der Durchführungsebene. So werden vielfach politische Entscheidungen getroffen, gleichgültig ob auf nationaler oder auf europäischer Ebene, ohne dass deren Durchführbarkeit gesichert, die dafür notwendige Infrastruktur überhaupt vorhanden und die Konsequenzen der Entscheidungen hinreichend bedacht zu sein scheinen. Die Bekämpfung der Pandemie hält zahlreiche Beispiele dafür bereit. Die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die Energieversorgung und die daraus zu ziehenden Konsequenzen rücken weiter in das Scheinwerferlicht.
Zu groß sind die Herausforderungen für den Industriestandort Deutschland, um ohne ein hinreichendes Maß an technologischer und ökonomischer „Erdung“ Ziel auf Ziel zu formulieren, etwa in der Energie- und Klimapolitik. So wird derzeit selbst im Angesicht des Krieges in der Ukraine in unserem Land in einem Umfang gesicherte Stromleistung stillgelegt, dass wir nicht mehr die Frage verlässlich beantworten können, wo denn der Strom der Zukunft in zuverlässiger Weise herkommen soll. Ich empfehle Ihnen hierzu unbedingt das Interview mit Professor Fritz Vahrenholt ab Seite 14. Mobilitätswende plus Atomausstieg plus Kohleausstieg plus Ausstieg aus russischem Gas – wie dies alles gleichzeitig umgesetzt werden soll, diese Antworten bleibt leider auch die Berliner Politik bisher schuldig.
Invention und Innovation – das waren über Jahrzehnte Deutschlands wichtige Güter im Wettbewerb auf den Weltmärkten. Dass wir den technologischen Fortschritt nur mit Know-how werden vorantreiben können und dafür auch auf die Fachkräfte der Zukunft setzen müssen – dafür steht wie keine andere Veranstaltung die IdeenExpo, Europas größte Technikshow für junge Leute. Wir als ADK sind Mitveranstalter und werden sie in diesem Jahr ab dem 2. Juli auf dem Messegelände in Hannover ein achtes Mal durchführen (zum Artikel). Die Forscher von Morgen können wir gar nicht früh genug begeistern, denn: Auch Fachkräfte haben Lieferzeit.
Wenn Sie also pure Begeisterung an Technik und Naturwissenschaften erleben wollen, Zukunftsoptimismus und Forschergeist und dabei jede Menge Spaß – dann besuchen Sie den fröhlichsten Quadratkilometer Deutschlands vom 2. bis 10. Juli auf dem Messegelände in Hannover!
Es grüßt Sie herzlich Ihr
Dr. Volker Schmidt
Hauptgeschäftsführer ADK