Hinweisgeberschutz belastet kleine und mittlere Unternehmen besonders stark
Das geplante Hinweisgeberschutzgesetz nimmt einen neuen Anlauf: Nach dem Veto im Bundesrat hat die Koalition eine veränderte Version nun wieder in den Bundestag eingebracht. Die Arbeitgeber sehen jedoch keine Verbesserung.
Unternehmen in Deutschland werden noch in diesem Jahr Meldestellen und Schutzfunktionen für sogenannte Whistleblower einführen müssen. Offen ist allerdings noch, in welcher Form. Denn das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG), das zu Beginn des Jahres in Kraft treten sollte, wurde durch ein Veto des Bundesrats im Februar vorerst gestoppt und an den Vermittlungsausschuss übergeben. Seit Mitte März liegt ein überarbeiteter Entwurf dem Bundestag vor, Experten erwarten, dass das HinSchG im Mai in Kraft treten kann. Doch aus Sicht der Arbeitgeber hat die Regierung den Gesetzesentwurf nur kosmetisch behandelt, die Hauptkritikpunkte wie eine überproportionale Belastung von kleinen und mittleren Betrieben sind nach wie vor nicht entkräftet.
Als Whistleblower werden Personen bezeichnet, die Missstände in Behörden oder Unternehmen öffentlich machen. Mit dem HinSchG setzt die Bundesregierung eine EU-Richtlinie in nationales Recht um und muss dafür sorgen, dass Hinweisgeber vor unternehmensinternen Repressalien geschützt werden. Alle Unternehmen sowie Behörden ab einer Größe von 50 Mitarbeitern sind dazu verpflichtet, Hinweisgebern einen Meldekanal für etwaige Verstöße wie Betrug oder Korruption einzurichten. Dieser kann bei kleineren Unternehmen auch an einen externen Anbieter ausgelagert werden.
Die Form des Meldekanals ist den Unternehmen überlassen, solange Hinweise vertraulich sowie DSGVO-konform behandelt und die Anonymität des Hinweisgebers gewahrt werden. Zudem gibt das HinSchG Fristen vor, innerhalb derer Hinweisen nachgegangen werden muss. Wird gegen Regelungen des HinSchG verstoßen, drohen teils hohe Bußgelder.
Weitgehende Einigkeit herrscht in Politik und Wirtschaft darüber, dass es einen verbesserten Hinweisgeberschutz geben muss. Schon allein deshalb, weil das HinSchG eine EU-Richtlinie, die am 17. Dezember 2021 in Kraft getreten ist, in nationales Recht umsetzt. Die Umsetzungsfrist ist bereits im Dezember 2021 abgelaufen, die EU-Kommission hat im Januar 2022 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und 22 weitere EU-Mitgliedsländer auf den Weg gebracht. Doch aus Sicht der Arbeitgeber und der Union fehlt dem neu in den Bundestag eingebrachten Gesetzesentwurf weiterhin das nötige Augenmaß. Unternehmen, vor allem kleine und mittlere, werden über Gebühr belastet, denn die Einrichtung des vorgeschriebenen Meldesystems bringt einen hohen Mehraufwand an Bürokratie und hohe Kosten mit sich.
Zudem birgt der anonymisierte Meldekanal die Gefahr von Missbrauch. „Nicht jeder Whistleblower führt Gutes im Schilde“, warnt etwa der hessische Justizminister Roman Poseck. Und Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) mahnt: „Verdächtigungen, die sich nachträglich als falsch herausstellen, belasten nicht nur die Unternehmen, sondern ebenso die hiervon betroffenen Kollegen. Das gewährleistet der vorliegende Gesetzentwurf nicht.“ Der Bundesrat habe dem Gesetzentwurf daher zu Recht nicht zugestimmt. Umso ärgerlicher sei es, dass die Ampel-Koalition das Gesetz jetzt durch die Hintertür – mit Hilfe eines Verfahrenstricks – wieder einbringe. „Wir appellieren an den Bundestag, das Hinweisgeberschutzgesetz im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft mit Augenmaß auszugestalten“, sagt Kampeter.
Die Pflicht zur Einrichtung einer Meldestelle ist für Unternehmen ab 250 Mitarbeitern mittlerweile von drei Monaten nach Verabschiedung des Gesetzes auf einen Monat gesenkt worden. Stimmen beide Kammern im Parlament im April dem neuen Entwurf zu, könnte das HinSchG schon zum 1. Mai in Kraft treten. Kleinere Unternehmen ab einer Größe von 50 Mitarbeitern haben mit der Umsetzung Zeit bis zum 17. Dezember 2023.
[Paul berten]