EU-Klima-Paket: „Voodoo-Ökonomie zu Lasten der deutschen Industrie“

Am 14. Juli stellte die EU-Kommission unter der Führung von Ursula von der Leyen (CDU) ihr neues Konzept „Fit for 55“ vor, mit dem die Mitgliedsländer der EU die für 2030 und 2055 gesteckten Klimaziele erreichen sollen. Zentrales Element: Der massive Ausbau der Elektromobilität.

Man kann es nur schlechtes Timing nennen: An einem Tag, es ist ein Dienstag im Juli, tritt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier vor die Presse und verkündet, dass sämtliche Annahmen, die man bisher zur Entwicklung des Stromverbrauchs in Deutschland bis 2030 getroffen hat, hinfällig sind. Benötigt würden mindestens 15 Prozent mehr. Wo die herkommen sollen, dazu schweigt der Minister sich aus. Stattdessen meldet sich einen Tag später eine andere Spitzenpolitikerin zu Wort. Es ist Ursula von der Leyen, ihres Zeichens Präsidentin der Europäischen Kommission.
Sie präsentiert die von ihr maßgeblich mitgestalteten Gesetzesvorschläge zum Erreichen der Klimaschutzziele 2030 und ruft dabei unter anderem das Zeitalter der Elektromobilität aus, gibt synthetischen Kraftstoffen eine Absage und spricht faktisch ein Verbrenner-Verbot deutlich vor 2035 aus. Was den Strombedarf in den kommenden Jahren noch einmal deutlich nach oben katapultieren wird. Doch zu dessen Deckung hört man keine Vorschläge.

„Die Strompolitik des Bundeswirtschafts­ministers und die Automobilvorstellungen der EU-Kommissionspräsidentin sind schlicht nicht mehr nachvollziehbar“, sagt Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer des ADK. Hier wisse offenbar die linke Hand nicht, was die rechte will. „Das hat mit seriöser Wirtschaftspolitik nichts mehr zu tun, das ist Voodoo-Ökonomie zu Lasten der deutschen Industrie und Hunderttausender Arbeitsplätze.“ Am Ende drohe der Industrie­standort Deutschland mit Karacho gegen die Wand gefahren zu werden. Man habe den Eindruck, nichts werde zu Ende gedacht.

Zwei Drittel der Deutschen wohnen außerhalb der Ballungsräume. Auch dort muss es Tankmöglichkeiten geben.

Dr. Volker Schmidt, ADK-Hauptgeschäftsführer

Ganz allgemein habe sich die Kommissionspräsidentin offenbar wenig Gedanken um die Folgen dieser Gesetzesvorschläge für die Autoindustrie gemacht. So sollen die CO2-Grenz­werte für neu zugelassene Fahrzeuge statt bisher um 37,5 Prozent um 55 Prozent bis 2030 reduziert werden. „Das sind nicht nur die mit Abstand schärfsten Grenzwerte weltweit, sie bedeuten faktisch auch das Aus für den Verbrennungsmotor schon lange vor 2035“, sagt Schmidt. Die Kommission stecke ambitionierte Ziele, ohne sich auch nur ansatzweise darüber Gedanken zu machen, wie diese in der Praxis erreicht werden können.

Präsentierte am 17. Juli 2021 neue Gesetzesvorschläge zum Erreichen der Klimaschutzziele 2030: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Foto: Xinhua (imago-images.de)

„Ein massiver Ausbau der Ladeinfrastruktur ist eine der entscheidenden Voraussetzungen dafür, dass E-Autos überhaupt vom Markt angenommen werden“, sagt Schmidt. Wenn die Vorgabe, auf den Autobahnen in Europa alle 60 Kilometer Ladesäulen zu errichten, die einzige Idee der Kommission zu diesem Thema sei, dann mache sie sich einen schlanken Fuß. „Was ist mit den länd­lichen Räumen? Zwei Drittel der Deutschen wohnen außerhalb der Ballungsräume. Auch dort muss es Tankmöglichkeiten geben“, sagt Schmidt. Das bestehende Ladesäulennetz in Europa müsse nach Berechnungen der ACEA innerhalb der kommenden Jahre von derzeit 200.000 Ladesäulen auf bis zu neun Millionen erweitert werden, um den hochgesteckten Zielen der Kommission gerecht zu werden.

[ISABEL CHRISTIAN]