Illustrationen: Simon Badt

X4B versteht sich als Unterstützer für Unternehmen bei Problemen. Egal, ob Personalmanagement, Digitalisierung oder Beantragung von Fördermitteln: X4B steht mit Rat und Tat zur Seite. Als sich die Anfragen für Kontakte zu Corona-Selbsttest-Anbietern häufen, entscheidet sich der Dienstleister, auf Vermittlungskurs zwischen Händlern und Firmen zu gehen. Was das X4B-Trio jedoch nicht ahnt: Die Reise führt mitten hinein in ein Chaos um verschwundene Flugzeuge, leere Lager und mächtige Gegenspieler wie den deutschen Zoll. Ein exklusiver Einblick ins Logbuch.

Der Hilferuf

Man schreibt die erste Märzwoche 2021. Die Politik denkt über eine Testpflicht für Unternehmen nach. Erste Unternehmen fragen bei den Arbeitgeberverbänden an, ob sie Kontakte zu Lieferanten von Selbsttests vermitteln können. Ein klarer Fall für X4B! Die Recherche zeigt: Täglich listet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mehr Selbsttest-Produkte auf, das Angebot auf dem Markt wächst. Das X4B-Team Joachim Algermissen, Markus Humpert und Wiebke Gisnås entscheidet sich, den Hilferuf zu beantworten und in die Vermittlerrolle zwischen Selbsttest-Lieferanten und Unternehmen zu schlüpfen.

Reisevorbereitungen

X4B schreibt zahlreiche Mitgliedsunternehmen der Arbeitgeberverbände an und fragt, wer einen Bedarf an Selbsttests hat. Die Vermittler sind zuversichtlich, dass die Tests bis Ostern bei den Unternehmen ankommen könnten. Ein Angebot, das viele Betriebe nicht ablehnen wollen. Öffnet das Trio in diesen Tagen morgens sein Postfach, liegen darin immer rund 30 neue E-Mails mit Bestellungen für Selbsttests – von 25 Stück bis 10.000 Stück. Markus Humperts und Wiebke Gisnås‘ Ohren sind schon rosa von vielen Telefonaten mit Firmen, die ihre Bestellungen aufgeben wollen.

Tag 1 nach Start: Wer kennt einen Lieferanten?

Eine Recherche im Internet verläuft unbefriedigend. Es gibt viele Kaufangebote für Selbsttests, aber nur in kleinen Mengen für Endverbraucher. Doch was nützen ein paar Testkits mit fünf Nasenstäbchen! X4B sucht Anbieter für 5.000 Tests und mehr. Also greift Joachim Algermissen zum Telefon und ruft Ärzte, Apotheker und Unternehmer, bei denen schon getestet wird, an: „Sagt mal, woher bezieht ihr eure Selbsttests?“ Die Antwort ists stets die gleiche: „Momentan ist der Markt wie leergefegt, an Tests ist zurzeit kein Rankommen. Aber probiert es doch mal bei Lieferant XY, der sagt, er bekommt die Tage wieder eine Lieferung.“

Tag 3 bis 6: Es gibt gute und schlechte Anbieter

Auch Joachim Algermissens Ohren färben sich langsam rosa vom Telefonieren. Zehn Anbieter hat er bisher kontaktiert. Sie bieten Preise zwischen 2 und 7 Euro pro Test an und versprechen Lieferzeiten zwischen drei Tagen und drei Wochen. Das Trio ist sich schnell einig: 7 Euro pro Test sind Wucher, 2 Euro pro Test können nur ein Fake sein. Probehalber bestellen sie beim Anbieter, der eine Lieferung in drei Tagen verspricht. Statt der Ware kommt drei Tage später ein Anruf: „Es tut uns leid, aber wir können erst in ein paar Wochen liefern, die Tests sind bei uns nicht angekommen.“ In einer Mail schreibt ein Apotheker: „Seid wachsam, das ist ein unglaublich schmutziges Geschäft“. Dem kann Joachim Algermissen nur beipflichten.

Tag 7: Alles auf Risiko

Der Druck, Lieferanten zu finden, steigt. Wiebke Gisnås‘ Ohren wechseln von hell- zu dunkelrosa, immer mehr Unternehmen rufen an und wollen wissen, wann ihre Tests ankommen. Mithilfe von Google-­Bewertungen, dem Internetauftritt, der Unternehmensvita und etwas Bauchgefühl entscheidet sich X4B schließlich für vier Anbieter, die Tests zwischen 4 und 5 Euro pro Stück anbieten. Sie versprechen, in der nächsten Woche zu liefern.

Tag 10: Ach du Schreck, das Flugzeug ist weg!

Fast alle Lieferanten beziehen die Tests von Herstellern aus Asien, die per Schiff oder Flugzeug nach Deutschland gebracht werden. Joachim Algermissen freut sich: An diesem Tag soll am Leipziger Flughafen eine große Lieferung von Selbsttests eintreffen, die für die Kunden von X4B gedacht sind. Doch der Lieferant würgt ihn mittags am Telefon ab: „Das Flugzeug ist noch nicht angekommen, ich fahre jetzt nach Leipzig.“ Drei Stunden später ruft er zurück: Das Flugzeug sei weg, wenn es denn überhaupt jemals losgeflogen sei. Man könne jetzt nur auf die Lieferung am nächsten Tag waren.

Tag 11: Was haben Sie denn zu verzollen?

Der Markt für Corona-Selbsttests boomt, das knappe Angebot und die überwältigende Nachfrage lockt Betrüger an. Deshalb beobachtet der deutsche Zoll mit Argus­augen die Selbsttest-Lieferungen aus Fernost. Pünktlich an diesem Tag landet nun ein Flugzeug mit der versprochenen Lieferung von Tests für X4B am Flughafen. Doch die Zollbeamten sind schneller als der Lieferant und ziehen die ganze Charge ein. Erstmal müsse man prüfen, ob die Ware denn den in Europa geltenden Vorschriften entspräche. Und das kann dauern. Erst nach zehn Tagen gibt der Zoll die begehrte Ware endlich frei.

Tag 13: Nur keine Panik

Das X4B-Trio ist weiter optimistisch, dass die Lieferung bis Ostern klappt, aber es schleichen sich leise Zweifel ein. Denn noch ist kein Paket an eins der mittlerweile weit über hundert bestellenden Unternehmen geschickt worden. Die Ohren der drei glühen mittlerweile rot vom Telefonieren. Joachim Algermissen verbreitet Zuversicht: Ein Lieferant, dessen Ware in einem deutschen Seehafen angekommen ist, schickt am nächsten Tag vier Lkw dorthin, um sie abzuholen. Tags darauf ist die Konfektionierung angesetzt, 24 Stunden später sollen die Tests bei den Unternehmen eintreffen. Wiebke Gisnås und Markus Humpert haben aus der Erfahrung gelernt und kündigen den Unternehmen die Lieferung schon mit Zeitpuffer an – sicher ist sicher.

Tag 14: Mieses Karma

Wieder ein Rückschlag! Am späten Abend klingelt Joachim Algermissens Handy: Die vier Lkw waren am Hafen, doch die Tests nicht. Die Mitarbeiter hatten die Hallen, in denen die Kisten liegen sollten, geöffnet – doch darin herrschte nur Leere. Jetzt nur keine Panik! Wiebke Gisnås und Markus Humpert greifen zum Telefonhörer und vertrösten wieder einmal die Unternehmen. Die Farbe ihrer Ohren wechselt langsam zu dunkelrot. Trotz der Verzögerungen steigt die Nachfrage weiter. Das Team richtet eine automatische Antwort für Bestellungen per E-Mail ein, denn täglich kommen neue Bestellungen an.

Tag 19: Man muss auch mal Glück haben

Joachim Algermissen hat Geburtstag. Am Abend ruft ihn ein Bekannter an, ein Unternehmer. Die beiden plaudern und Algermissen erzählt von der Selbsttest-Pannen-Orgie, die er und sein Team gerade feiern. „Was für ein Zufall“, sagt der Bekannte. „Ich kenne einen Anbieter von Medizinprodukten, der gerade eine Lieferung von einer Million Tests bekommen hat.“ Algermissen ruft den Kontakt direkt an und erfährt, dass der Anbieter X4B beliefern wird. Er kann sein Glück kaum fassen.

Tag 20: Ende gut, alles gut?

Die ersten Pakete mit Selbsttests sind auf dem Weg in die Unternehmen. Einziger Wermutstropfen: Es sind zunächst nur Spucktests, obwohl X4B Nasaltests angekündigt hat. Für viele Unternehmen ist das aber kein Problem, denn irgendein Test ist besser als kein Test. Und schon zwei Tage später hat der Lieferant auch Nasaltests im Angebot.

Ab Tag 21: Ziel erreicht – und es geht weiter

Alle Unternehmen erhalten pünktlich zu Ostern Pakete mit Selbsttests. Das Hin und Her der vergangenen Wochen scheint vergessen, viele bestellen schon die nächste Lieferung. Zwei Wochen nach den Feiertagen verzeichnet X4B rund 300 belieferte Unternehmen und mehr als 50.000 versendete Testkits. Joachim Algermissen, Markus Humpert und Wiebke Gisnås können aufatmen – und betrachten die zurückliegenden Wochen auch als lehrreiche Zeit. Ob sie ein solches Experiment wieder wagen würden? „Auf jeden Fall“, sagt Joachim Algermissen. „Denn um den Firmen so ein irres Chaos zu ersparen, dafür sind wir da.“

[ISABEL CHRISTIAN]

Illustrationen: Simon Badt