Verbandswelt

Sprechen sich für Technologieoffenheit aus: Dr. Volker Schmidt (Bild links), Jens Rümenapp (l.) und Thomas Wehrmann (Bild rechts oben) und Nicole Steiger.

Sprechen sich für Technologieoffenheit aus: Dr. Volker Schmidt (Bild oben), Jens Rümenapp (l.) und Thomas Wehrmann (Bild mittig) und Nicole Steiger.

Fotos (3): Henning Scheffen Photography

„Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, müssen wir alle Chancen nutzen“

Nicht entweder – oder, sondern sowohl als auch: Bei der ersten Automobil-Konferenz, zu der NiedersachsenMetall, der ADK und der Autozulieferer ZF eingeladen hatten, diskutierten namhafte Experten aus der Autoindustrie über das Schwerpunktthema EFuels und E-Mobilität und plädierten für Techno­logie­offenheit.

Ein Promo-Video von Porsche bringt den Kern der Diskussion um die Zukunft der Antriebstechnologien auf den Punkt. Man sieht eine Zeitung, eine mechanische Uhr und einen Porsche 911. Jedes Mal wird dem Zuschauer die Frage gestellt: Möchten Sie dieses Produkt auch in Zukunft noch nutzen? Die Meisten würden darauf sicher mit Ja antworten. Die Quintessenz des Videos: Warum soll man sich entscheiden, wenn es Möglichkeiten gibt, beides zu nutzen? Das bewährte und das neue Produkt? Den Verbrennungsmotor und den Elektro­antrieb? Denn dass ein Sowohl-als-auch längst möglich, im Sinne der Emissionsreduktion sogar notwendig ist, haben die Beiträge der Experten auf der ersten Auto­mobil-Konferenz der Arbeitgeberverbände NiedersachsenMetall, ADK und AGV eindrucksvoll dar­gestellt. Schließlich werden aktuell 1,3 Milliarden Fahrzeuge weltweit mit Verbrennungsmotor angetrieben. Wie lange sollte es dauern, auch nur einen Großteil dieser Flotte gegen E-Autos zu tauschen? Und ist das überhaupt ein realistisches Ziel? Bezogen allein auf den deutschen Markt lautet eine Fest­stellung: „Fakt ist, dass wir momentan nicht die notwendige Markt­akzeptanz haben, um einen reibungslosen Übergang vom Verbrenner zur E-Mobilität erreichen zu können“, sagt Dr. Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer des ADK. Die Zulassungszahlen von Fahrzeugen mit Elektroantrieb der vergangenen anderthalb Jahre zeigen, dass das Interesse an E-Autos sehr stark mit staatlichen Subventionen zusammenhing. Im Sommer vergangenen Jahres erreichten die monatlichen Zulassungszahlen mit rund 87.000 Stück einen Höchstwert. Danach wurde zuerst die Förderung für elektrische Flottenfahrzeuge bei Gewerbetreibenden gekippt, kurz darauf die E-Auto-­Prämie für Private komplett gestrichen. Um das Ziel der Bundesregierung, 15 Millionen Elektro­autos bis 2030 auf den deutschen Straßen zu haben, erreichen zu können, wären gegenwärtig 200.000 Neu­zulassungen pro Monat nötig. Im Januar des laufenden Jahres sank die Zahl der neu zugelassenen E-Autos allerdings auf 22.500 Stück. „Diese Zahlen spiegeln die schwache Markt­akzeptanz und zeigen die schwierige Lage der Automobilhersteller und -Zulieferer auf, die, politisch gefordert, Milliarden in Forschung und Entwicklung des elektrischen Antriebs inves­tiert haben und nun vielfach in Schieflage geraten, da sie ihre Produkte kaum absetzen können“, sagt Schmidt.

Prominentes Podium: Neben der früheren Rennfahrerin Ellen Lohr (3.v.r.) und Olaf Bollmann von der Porsche AG (2.v.l.) kamen zahlreiche Branchenexperten bei der Automobil­konferenz zu Wort.

Foto: Henning Scheffen Photography

Anreize für technologieoffene Investitionen sind nötig

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Automobil-­Konferenz sprechen sich auch für die E-Mobilität als Antriebsart der Zukunft aus. Aber die Politik dürfe nicht länger den Eindruck erwecken, als sei sie die einzige Option, um das Klima zu schützen. „Als Ingenieur sage ich, dass es unklug ist, sich von Anfang an auf eine Technologie festzulegen“, sagt Dr. René Stahlschmidt, Leiter Bereich Vertrieb bei der CAC Engineering GmbH.Wenn man die Klimaschutzziele erreichen will, muss man alle Chancen nutzen, die sich bieten.“

Einen solchen Ansatz verfolgt beispielsweise die Porsche AG. Der Sportwagenhersteller setzt klar auf E-Mobilität, will bis 2030 mehr als 80 Prozent Elektrofahrzeuge verkaufen. „Wenn wir klimaneutral werden wollen, brauchen wir die E-Mobilität, das ist keine Frage“, sagt Olaf Bollmann, Vicepresident unter anderem für Strategie bei Porsche. „Aber die dafür nötigen Rahmenbedingungen sind nicht überall auf der Welt gegeben. Es sollte daher Anreize geben, technologie­offen zu investieren, anstatt einzelne Technologien zu verteufeln.“ Andernfalls werde sich kaum jemand finden, der große Summen in die Produktion der bereits aus­gereiften EFuel-Variationen zu investieren bereit ist.

Automobilkongress NiedersachsenMetall und ZF

In China sind EFuels ein Teil der Sicherheitspolitik

Dieser Ansicht ist auch Ellen Lohr, bekannte Racerin und Motorsport-Direktorin beim Mobilitätstechnologie-Unternehmen AVL. In Deutschland werde Mobilität oft nur innerhalb der Landesgrenzen gedacht schon in Südfrankreich suche man Ladesäulen vergeblich. Klares Statement der früheren DTM-Pilotin: „Im Motor­sport werden Technologien offen und performanceorientiert behandelt.“ Ein für viele überraschendes Argument liefert China-Expertin Nicole Steiger von JSC Automotive: Denn Chinas Vorwärtsdrang in der E-Mobilität resultiere weniger aus einer Wettbewerbsstrategie als aus der sicherheitspolitischen Erkenntnis, ohne eigene Rohölvorkommen von anderen Staaten ab­hängig und damit verletzlich zu sein. Da sich der Ölverbrauch allerdings trotz der „new energy vehicle“ in China kaum reduziert habe, wolle das Reich der Mitte künftig auf seine großen Kohlevorkommen setzen und damit auf synthetische Kraftstoffe aus verflüssigter Kohle: Bis 2060 sollen EFuels 40 Prozent der chinesischen Pkw-Flotte antreiben, per Verbrenner, versteht sich. Nur 25 Prozent der Fahrzeuge würden in China den Prognosen zufolge dann mit E-Antrieb fahren, so Steiger.

Gastgeber der Automobil-Konferenz, zu der zahlreiche Geschäftsführer von Zulieferern kamen, war der Auto­zulieferer ZF. Geschäftsführer Thomas Wehrmann, Werksleiter Jens Rümenapp und ihr Team stellten den Gästen der Konferenz das Werk in Hannover vor und gaben in einer Werksführung detailliert Einblicke in die Produktion. Rund 3.200 unterschiedliche Produkte stellt ZF am Standort her, ein Großteil davon sind Elektronik- und Sensorik-­Bauteile für Truck und Bus, aber auch Luftfederungssysteme für Oberklasse-Pkw. Ein Großteil der etwa 3.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den vier zu Hannover gehörenden Standorten arbeitet in der Forschung und Entwicklung. „Als Zulieferer sowohl für Automobile wie auch für Transportfahrzeuge und Busse müssen wir uns mit allen Antriebssträngen auseinandersetzen“, sagt Ge­schäftsführer Thomas Wehrmann.

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Besuch in der Produktion: Über 3.000 unter­schiedliche Teile für Pkw, Truck und Bus produziert ZF Hannover an seinen vier Standorten.

Foto: Henning Scheffen Photography

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