Verbandswelt

Erstes Lehrjahr: Nach acht Jahren im Job drückt Hendrik Schreyer wieder die Schulbank – weil die Weiterqualifizierung zum Techniker ihm viel mehr berufliche Möglichkeiten eröffnet.

Foto: Gerd Scheffler

EINE INVESTITION FÜR DIE ZUKUNFT

Exzellente Ausbildung in Gefahr: Die Technikerschule Gelnhausen gilt mit ihrer modernen Ausstattung als beste Adresse in Deutschland für die Aus- und Weiterbildung zum Kautschuk- und Kunststofftechniker. Doch da sich immer weniger junge Menschen für den Bereich interessieren, droht dem Angebot das Aus. Vier junge Absolventen erzählen von den vielen Vorteilen, die die Weiterbildung bietet.

Konzentriert blicken Lukas Schönhalz und Simon Gabrat auf den Computerbildschirm. Für den Laien ist es nur ein hübscher Anblick, wie sich die bunten Farben in der 3D-Ansicht ihres nachgebildeten Kunststoff-Bauteils ausbreiten. Doch die Optik verrät den beiden angehenden Kunststoff- und Kautschuktechnikern, wie der flüssige Kunststoff die Spritzgießform beim Gießvorgang füllt. Die vielen unterschiedlichen Farben zeigen, ob der Formfüllvorgang möglichst optimal verlaufen ist, und welche Schwachstellen es in ihrer Konstruktion noch gibt. Die Software, mit der man Spritzgussprozesse von Kunststoffprodukten hochpräzise am Computer nachbilden kann, hat die Technikerschule Gelnhausen erst seit kurzem für ihre Schüler im Angebot. Schönhalz und Gabrat sind begeistert. „Die Simulation zeigt uns, wie sich das Material unter verschiedenen Voraussetzungen verhält. Dadurch können wir schon in der Konstruktionsphase viele Fehler ausschließen, ohne überhaupt ein Teil spritzen zu müssen“, erklärt Schönhalz.

Moderne Ausstattung, Anlagen und Software auf industriellem Standard und viele Möglichkeiten zur Weiter­entwicklung: Das macht die Technikerschule in Gelnhausen aus. Durch die engagierte Unterstützung vieler Firmen und Verbände wie dem ADK aus der Kunststoff- und Kautschukbranche bietet die Schule die wohl qualitativ hochwertigste Aus- und Weiterbildung zum Kunststoff- und Kautschuktechniker in ganz Deutschland. Gleichwohl steht die Schule vor einem existenzbedrohenden Problem: Ihr gehen die Schüler aus. 14 Schüler braucht ein Jahrgang mindestens, damit die Schule eine Lehrer­zuweisung vom Land Hessen bekommt. Andernfalls muss die Schule, die zur Beruflichen Schule Gelnhausen gehört, ihren Betrieb aus Bordmitteln stemmen. Dies ist jedoch nicht ohne Weiteres möglich, erst recht nicht ohne genügend fachlich ausgebildete Lehrkräfte. Fällt die Lehrerzuweisung weg, droht der Techniker­schule das Aus.

Simon Gabrat (l.) und Lukas Schönhalz sind begeistert von der technischen Ausstattung, die die Schule zu bieten hat.

Foto: Gerd Scheffler

Beispielsweise eine Software, mit der sich der Gießvorgang eines Bauteils digital vorab exakt nachstellen lässt.

Foto: Gerd Scheffler

Leben wäre ohne Elastomere und Kunststoffe kaum noch möglich

In den vergangenen Jahren ist es Schulleiter Rainer Flach und seinen Kollegen noch gelungen, genügend Schülerinnen und Schüler zusammenzubekommen.Doch es wird von Jahr zu Jahr schwieriger. Die Gründe dafür sind vielfältig, sagt Studiendirektor Arnold Flach. Zum einen gehe die Attraktivität von gewerblich-technischen Berufen immer weiter zurück. Das trifft auch die KuK-Branche. Dazu komme jedoch, dass sich durch die Umweltschutzbewegung das Image vor allem von Kunststoff in der jungen Generation verschlechtert hat. „Viele junge Menschen denken bei Kunststoff zuerst an Plastikmüll im Meer. Dass unser Leben ohne Elastomere und Kunststoffe gar nicht mehr denkbar wäre, ist den meisten nicht klar“, sagt Flach. Beispielhaft dafür sind Medizintechnik oder die Ernährungstechnik.

Wenn das Team der Technikerschule unterwegs ist, um bundesweit Nachwuchs für die Studienplätze zu begeistern, betont es daher vor allem die Vielfalt und den Nutzen von Kautschuk- und Kunststoffprodukten. „Es reicht nicht, auf einer Ausbildungsmesse Flyer auszulegen. Jeder Mensch ist neugierig, und darüber versuchen wir, das technische Interesse bei jungen Menschen zu wecken“, sagt Arnold Flach. Unter anderem deshalb ist die Technikerschule auch auf der IdeenExpo in Hannover mit dabei und zeigt am Stand der KuK-Industrie dieses Jahr unter anderem, wie man aus thermoplastischem Elastomer Radiergummi herstellen kann.

Dozent Georg Schillinger (r.) weist Hendrik Schreyer (l.) und Isaak Ali (M.) in eine Maschine ein.

Foto: Gerd Scheffler

Isaak Ali möchte nach seinem Abschluss am liebsten im Bereich Forschung und Entwicklung arbeiten.

Foto: Gerd Scheffler

Nicht nur weiterkommen, sondern was Großes werden

Rainer und Arnold Flach sind sicher, dass die KuK-Branche, die so viele zukunftsweisende Technologien und Karrieremöglichkeiten bietet, bei kontinuierlicher Bewerbung wieder genügend Interessenten finden wird. Doch bis dahin geht es darum, junge Menschen, die bereits eine technische Ausbildung abgeschlossen haben oder kurz davor stehen, für die zusätzliche Aus- oder Weiter­bildung zum Kunststoff- und Kautschuktechniker an der Techniker­schule zu begeistern. Isaak Ali und Hendrik Schreyer sind seit vergangenem Jahr dabei. Der 27 Jahre alte Ali kennt sich mit dem Werkstoff schon bestens aus.

Nach seinem Fachabitur hat er erst eine Ausbildung zum Elektrotechniker abgeschlossen, danach aber gemerkt, dass ihn Kautschuk und Kunststoff viel mehr interessie­ren. Daraufhin absolvierte er noch eine Ausbildung zum Verfahrensmechaniker für KuK-Technik bei Goodyear­Dunlop in Hanau. Aus dieser Zeit kennt er die Techniker­schule. „Ein Lehrer hat mich anschließend auf die Idee gebracht, auch noch die Weiterbildung zu machen“, erzählt Ali. Er kündigte seine Stelle und entschied sich, statt Geld zu verdienen wieder auf die Schulbank zurückzukehren. „Natürlich haben viele Freunde und auch meine Eltern gefragt, warum ich wieder zur Schule gehen will. Aber als ich ihnen erklärt habe, dass ich damit nicht nur weiterkommen, sondern auch was ganz Großes werden kann, waren sie überzeugt.“

Für die Zeit der Weiterbildung ist Ali wieder bei seinen Eltern in Mühlheim am Main eingezogen. Zudem bezieht er Bafög. Rund 800 Euro Aufstiegs-Bafög monatlich können Schüler für die Dauer der Weiterbildung bekommen. „Das ist erstmal ungewohnt, wenn man schon jahrelang mehr Geld verdient hat“, sagt der junge Mann lächelnd. „Aber die Investition in meine Zukunft ist mir das wert.“ Wenn er kommendes Jahr mit dem Abschluss in der Tasche die Technikerschule verlässt, will Ali am liebsten in die Qualitätsprüfung gehen. Vielleicht aber geht er vorher doch noch an die Uni. Denn die Weiterbildung zum Techniker qualifiziert die Absolventen nicht nur für bessere Stellen im Unternehmen, sondern auch für ein Fachhochschulstudium. Die Technikerschule hat ein Abkommen mit der Technischen Hochschule Würzburg geschlossen: Wer in Gelnhausen den Techniker gemacht hat und sich dann für Kunststofftechnik einschreibt, bekommt direkt 35 Creditpoints gutgeschrieben. „Das spart den Studenten ungefähr ein Semester“, sagt Arnold Flach.

All das Wissen, das wir hier vermitteln, hat einen tiefen fachlichen Charakter, bietet aber auch viele Zusatzqualifikationen.
All das Wissen, das wir hier vermitteln, hat einen tiefen fachlichen Charakter, bietet aber auch viele Zusatzqualifikationen.

Arnold Flach,
Studiendirektor und Schulleiter der Technikerschule Gelnhausen

Weiterbildung mit vielen Zusatzqualifikationen

Hendrik Schreyer hat nach der Realschule seine Aus­bildung ebenfalls bei Goodyear-Dunlop gemacht und danach zwei Jahre gearbeitet, bevor er sich für die Weiter­bildung zum KuK-Techniker einschrieb. Er ist inzwischen bei einer Firma angestellt, die Fenster­scheiben herstellt. „Das ist zwar fachlich ein anderer Bereich, aber für den offenen Technikerplatz in meiner Firma ist der Werkstoff nicht entscheidend“, sagt Schreyer. Diese Flexibilität ist auch ein Ziel der Tech­niker­schule. „All das Wissen, das wir hier vermitteln, hat einen tiefen fachlichen Charakter, bietet aber auch viele Zusatzqualifikationen“, sagt Schulleiter Rainer Flach. „Unser Anspruch ist es, dass unsere Schülerinnen und Schüler die Schule als Menschen verlassen, die lösungs­orientiert denken und innovative Wege entwickeln können, wie sie an ihr Ziel kommen. Dadurch können sie später auch ganz andere Projekte managen, die nicht unbedingt etwas mit Kautschuk oder Kunststoff zu tun haben.“ Diesen Wert hat auch Schreyers Arbeitgeber erkannt. Er stellt den 24-Jährigen für die Zeit der Ausbildung frei und zahlt ihm weiterhin Gehalt, allerdings unter der Voraussetzung, dass Schreyer nach dem Abschluss für mindestens ein Jahr in die Firma zurückkehrt.

Weiterbildung mit vielen Zusatzqualifikationen

Hendrik Schreyer hat nach der Realschule seine Aus­bildung ebenfalls bei Goodyear-Dunlop gemacht und danach zwei Jahre gearbeitet, bevor er sich für die Weiter­bildung zum KuK-Techniker einschrieb. Er ist inzwischen bei einer Firma angestellt, die Fenster­scheiben herstellt. „Das ist zwar fachlich ein anderer Bereich, aber für den offenen Technikerplatz in meiner Firma ist der Werkstoff nicht entscheidend“, sagt Schreyer. Diese Flexibilität ist auch ein Ziel der Tech­niker­schule. „All das Wissen, das wir hier vermitteln, hat einen tiefen fachlichen Charakter, bietet aber auch viele Zusatzqualifikationen“, sagt Schulleiter Rainer Flach. „Unser Anspruch ist es, dass unsere Schülerinnen und Schüler die Schule als Menschen verlassen, die lösungs­orientiert denken und innovative Wege entwickeln können, wie sie an ihr Ziel kommen. Dadurch können sie später auch ganz andere Projekte managen, die nicht unbedingt etwas mit Kautschuk oder Kunststoff zu tun haben.“ Diesen Wert hat auch Schreyers Arbeitgeber erkannt. Er stellt den 24-Jährigen für die Zeit der Ausbildung frei und zahlt ihm weiterhin Gehalt, allerdings unter der Voraussetzung, dass Schreyer nach dem Abschluss für mindestens ein Jahr in die Firma zurückkehrt.

Schule unterstützt bei Wohnungssuche

Die meisten Schülerinnen und Schüler in den beiden Jahrgängen kommen aus der Region, da rund um Gelnhausen viele Kautschuk- und Kunststofffirmen angesiedelt sind. Doch Rainer und Arnold Flach betonen, dass die Technikerschule sich über Interessenten aus ganz Deutschland freut. Sogar bei der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung unterstützt die Schule. „Auf unserer Webseite sammeln wir Angebote von Privatleuten, die unseren Schülern Zimmer oder Apartments vermieten“, sagt Arnold Flach. Wer die Weiterbildung zum Techniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik absolvieren möchte, braucht lediglich eine Ausbildung in einem gewerblich-technischen Beruf und mindestens ein Jahr Berufserfahrung.

Lukas Schönhalz und Simon Gabrat beispielsweise kommen ursprünglich aus dem Maschinenbau. Da ihre Zeit an der Schule im Sommer zu Ende geht, sind beide schon auf der Suche nach einem Arbeitgeber – und bekommen auch Angebote. „Ich merke dabei schon, dass die Kombination aus meinen Kenntnissen im Werkzeugbau und der Qualifikation im Kunststoff- und Kautschukbereich viele Firmen interessiert“, sagt Schönhalz. Und auch Gabrat ist froh, dass er sich für die Weiterbildung entschieden hat: „Kunststoff ist viel mehr als nur Plastik“, sagt er. „Den technologischen Fortschritt unserer Welt verdanken wir Kunststoffen. Und Fachkräfte, die sich damit auskennen, werden auch in Zukunft gebraucht.“

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MEHR INFOS

Sie möchten mehr über die Technikerschule erfahren oder Kontakt aufnehmen? Hier die Internetadresse der Schule:

kunststofftechniker.net

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Weitere Informationen zu diesem Thema erhalten Sie von unserer Pressesprecherin Isabel Link.

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